Coaching – Hilfe zur Selbsthilfe im beruflichen Kontext

So erkennen Sie Coaching-Bedarf bei Ihren Fach- und Führungskräften

Der Digitalverband Bitkom meldet ein Rekordwachstum im Arbeitsmarkt der Branche mit 45.000 zusätzlichen Jobs in 2017. Das Plus hätte noch deutlich höher ausfallen können, wenn es mehr IT-Experten gäbe. … Das große Problem sei seit Jahren: "Wir haben einfach zu wenig Fachkräfte."

Dieser Fachkräftemangel betrifft auch alle anderen Branchen, denn dort werden durch die Digitalisierung ebenfalls zunehmend Experten gesucht. Fach- und Führungskräfte mit naturwissenschaftlichem, Ingenieurs-wissenschaftlichen oder IT-Hintergrund sind besonders nachgefragt. Vor diesem Hintergrund ist es für viele Unternehmen wichtig,

  • das bisher nicht genutzte Potenzial von Fach- und Führungskräften, die erst seit wenigen Jahren im Unternehmen arbeiten, weiter zu entwickeln
  • Mitarbeiter, die bislang von ihren sozialen Kompetenzen her als „schwierig“ galten, dabei zu unterstützen, sich in ihrem Verhalten und Handeln besser auf die Arbeitsanforderungen einzustellen und sich noch besser in das Arbeitsumfeld zu integrieren
  • Leistungsträgern zu signalisieren: „Du bist uns wichtig“, um zu verhindern, dass Fach- und Führungskräften, die mit ihrer Situation im Unternehmen unzufrieden sind, von Wettbewerbern abgeworben werden

Zu den Maßnahmen, die einen wichtigen Beitrag leisten, um das Potenzial von Fach- und Führungskräften weiter zu entwickeln, ihre Motivation zu erhöhen, ihre Arbeitsleistungen (und damit auch die ihrer Teams) zu verbessern und sie an das Unternehmen zu binden, gehört nach meiner Erfahrung das Personalentwicklungs-Instrument Einzel-Coaching.

Woran Sie erkennen können, ob ein Coaching-Bedarf besteht, wie ein Coaching aufgesetzt werden sollte und welche Ergebnisse/Lösungen es liefern kann, illustriert der folgende Beitrag.

 

1. Symptome erkennen

Nachwuchsführungskräfte – und insbesondere solche mit ausgeprägten technisch-/technologischen Kompetenzen – tun sich nicht immer leicht mit Führungsaufgaben, die starke Soft Skills erfordern (z. B. Kommunikation mit den Mitarbeitern, Beziehungsmanagement zu anderen Bereichen). Überzeugt davon, die richtigen Argumente zu haben, wird manchmal unterschätzt, dass es wichtig ist, zunächst eine gute und vertrauensvolle Beziehungsebene aufzubauen, bevor man zur Sache kommt.

 

Oder es wird möglicherweise nicht bemerkt, dass das, was man vielleicht gemeint hat, beim anderen ganz anders ankommen ist. Auch werden Ursachen von Stress häufig im Arbeitsumfeld gesehen anstatt dass man einmal in Ruhe reflektiert, welche verborgenen, vielleicht auch biografischen Ursachen dem eigenen Stressempfinden zugrunde liegen und was man konkret im eigenen Verhalten und Handeln ändern könnte, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten und wieder ausgeglichener zu werden.

Reibungsverluste in der Zusammenarbeit, Missverständnisse in der Kommunikation und gesundheitliche Probleme – damit sind schon drei Symptome genannt, die auf einen möglichen Coaching-Bedarf hinweisen. Und es gibt noch viele weitere. Hier eine Auswahl davon:

  • Zwischen der Führungskraft und Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Kollegen aus eigenen oder anderen Bereichen gibt es dauerhafte oder verhärtete Konflikte
  • In der Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung der Führungskraft gibt es deutliche Unterschiede
    • Die Führungskraft sieht sich selbst deutlich kritischer als dies ihre Mitarbeiter tun  (mögliches Indiz für – stresserzeugende –  zu hohe Ansprüche an sich selbst)
    • Die Führungskraft sieht sich deutlich positiver als dies ihre Mitarbeiter tun (mögliches Indiz für Selbstüberschätzung und fehlendes Einfühlungsvermögen in die Mitarbeiter)
  • In Mitarbeiterzufriedenheitsbefragungen, z. B. zu transformationalen Führungskompetenzen wird die Führungskraft unterdurchschnittlich bewertet, z. B. in punkto
    • Vorbildfunktion („Offenheit für Kritik“, „Lebt eine gesunde Work-Life-Balance“)
    • Ziele und Perspektiven („Sorgt dafür, dass jeder engagiert ist und gerne seine Arbeit tut“, „Mitarbeiter brauchen keine Angst zu haben, Fehler zu machen“)
    • Kommunikation & Fairness („kann gut Streitigkeiten schlichten“, „sorgt für Fairness“),
    • Unternehmerische Haltung („Schaut ständig, was man im Team besser machen kann“)
    • Die Führungskraft hat Seminare besucht zu Mitarbeiterkommunikation, Konfliktmanagement etc., doch Defizite in der Mitarbeiterführung bestehen weiter

Gerade wenn der letzte Punkt zutrifft, könnte man der betreffenden Person ein Coaching anbieten, das von seinem individuellen personenzentrierten Ansatz her quasi maßgeschneidert auf die spezifische Situation der Führungskraft/des Fachexperten zugeschnitten ist. Möglicherweise kann ein Coaching eher zur Lösung der Defizite beitragen (indem diese als Chance für Veränderungen wahrgenommen werden) als ein für die „durchschnittliche“ Führungskraft konzipiertes Seminar, das sich allgemeinen Themenstellungen widmet und den Teilnehmern „richtiges“ Handeln vermittelt.

 

2. Standort bestimmen

Wie läuft nun ein Coaching ab, welche vorbereitenden Schritte sind dafür notwendig? In einem Erstgespräch definieren ein/e Verteter/in der Personalabteilung, die/der Vorgesetzte, der Coach oder eine Kombination dieser drei Akteure gemeinsam mit dem Fachexperten/der Führungskraft die Erwartungen an das Coaching sowie erste vorläufige Handlungs- und Entwicklungsfelder.


Danach wird der Rahmen festgelegt, d. h. wie viele Sitzung à wie viele Stunden gebucht werden und an welchem Ort die Sitzungen stattfinden werden. Der Coachee sollte bei dieser Gelegenheit einen ersten Eindruck vom Coach gewinnen und sich anschließend entscheiden, ob er sich eine Zusammenarbeit mit dem Coach vorstellen kann. Dann kann das Coaching starten.

Ist das Coaching erst einmal angelaufen, können sich die vorläufigen Entwicklungsfelder verschieben – vor allem wenn bei der Vertiefung bestimmter Fragestellungen grundlegende persönliche Themen identifiziert werden, die in unterschiedliche Handlungsfelder „ausstrahlen“. Stellt ein Coachee z. B. fest, dass seine primäre Grundmotivation „Sicherheit“ ist, wirkt sich diese vielleicht darin aus, dass es ihm als Führungskraft schwerfällt, Aufgaben zu delegieren. So dass die bewusste Reflexion dieses Bedürfnisses und der dahinterliegenden Erfahrungen möglicherweise einen Hebel darstellt, um diesbezügliche „Blockaden“ im Führungsstil aufzulösen.

 

3. Ziele definieren und Lösungen finden

Hier nun ein Praxis-Beispiel für den Ablauf eines Coachings und für die Lösungen, die sich der Coachee während des Coaching-Prozesses unter der Anleitung des Coaches erarbeitet hat:

Tim K. / Leiter Vor-Produktion

  • Symptome-Erkennung: In der Mitarbeiterbefragung zeigen sich Schwächen in
    • Vorbildfunktion („Offenheit für Kritik“, „Lebt eine gesunde Work-Life-Balance“)
    • Unternehmerische Haltung („Schaut ständig, was man im Team besser machen kann“)
  • Standort-Bestimmung: Folgende Handlungsfelder werden im Feedback-Gespräch abgeleitet:
    • Mehr Selbstreflexion im Umgang mit den Mitarbeitern
    • Reflexion des eigenen Rollenwechsels vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten (Wunsch nach noch bestimmterem, sachlicherem Auftreten und Handeln)
    • Personalführung: Wie führe ich Mitarbeiter-Feedback-Gespräche?
  • Ziele-Definierung und Lösungsfindung, die im Coaching erarbeitet werden:
    • Formulierung eines Ziels, um der Rolle als Vorgesetzter gerecht zu werden und Elemente von „Kollegialität“ darin zu integrieren
    • Erarbeitung konkreter Schritte, um dieses Ziel zu erreichen, sowie von Strategien im Umgang mit Widerständen und Hindernissen
    • Reflexion der systemischen Beziehung zwischen Mitarbeiter und Chef und daraus abgeleitet Konsequenzen für das Verhalten gegenüber Mitarbeitern und für das Selbstmanagement (z. B. mehr Delegieren, Planen, Priorisieren, Mitarbeiter über aktuelle Entwicklungen informieren)
    • Analyse der Work-Life-Balance und Entwicklung von Strategien für die Haltung und den Umgang mit Stress sowie von konkreten Schritten zur Verbesserung der Work-Life-Balance

Fazit

Einer meiner Coachees drückte es einmal so aus: „Coaching ist viel besser als ein Seminar. Hier kann ich meine individuellen Themen besprechen und bekomme einen neuen Blick auf mich und meine Kollegen. Außerdem kann ich gezielt an mir arbeiten und Lösungen entwickeln, die mich auch wirklich weiterbringen.“

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